Rückblick
Online-Wintersymposium der GLE-D
„Das existenzanalytische Person-Verständnis auf dem Prüfstand“: So lautete das Thema unseres diesjährigen Wintersymposiums, das am 13.02.2021 erstmalig als Online-Veranstaltung durchgeführt wurde. Die Veranstaltung erfreute sich einer sehr positiven Resonanz. 100 Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus Österreich und der Schweiz waren eingeloggt. Wenn auch die Online-Veranstaltung vor allem eine notwendige Alternative zum Präsenz-Format darstellte, so hat diese uns im deutschsprachigen Raum auch einander näher bringen können.
Aufgrund technischer Schwierigkeiten, mit denen wir trotz guter Planung nicht gerechnet haben, konnten ca. 20 Teilnehmer*innen nicht am Wintersymposium anwesend sein. Kurzfristig wurde eine alternative Lösung gefunden, die einige Teilnehmer*innen nutzen. Wir bedauern sehr die Unannehmlichkeiten, die damit für einzelne entstanden sind.
Das Thema „Person-Verständnis“ des Symposiums bildet den Dreh- und Angelpunkt der existenzanalytischen Anthropologie. Logotherapie und Existenzanalyse stehen zutiefst in der Tradition der abendländischen Geistesgeschichte und des über die Theologie in die Philosophie eingegangenen Verständnisses der Person. In diesem Sinne luden wir die Referenten dazu ein, die eigenen Grundlagen zu reflektieren.
Das Wintersymposium eröffnete Helmut Dorra, Theologe, Logotherapeut, Existenzanalytiker, Mitbegründer der GLE-D und Leiter der Hamburger Akademie. Helmut Dorra thematisierte in seinem Vortrag, in welcher philosophischen Denktradition die Existenzanalyse in ihrem Personverständnis steht. Insbesondere konzentrierte er sich auf die Begegnungsphilosophie und führte insbesondere aus, wie wesentlich die Verknüpfung mit der Würde des Menschen ist. Diese sei niemals nur Mittel zum Zweck.
Im Anschluss daran stellte Dr. Christoph Kolbe, das Personsein in den Horizont der Bedingungen und warf Fragen auf, wie es unter der Perspektive Ich-struktureller Voraussetzungen gelingen kann, sein Eigentlichsein zu leben. Dr. Christoph Kolbe ist Psychologischer Psychotherapeut (Tiefenpsychologie), Existenzanalytiker, Logotherapeut, Dipl.-Pädagoge, Leiter des Norddeutschen Instituts der Akademie für Existenzanalyse, Lehrtherapeut, Lehrsupervisor, Präsident der Internationalen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (GLE-I) und Ehrenvorsitzender der GLE-D.
Den Abschluss rundete Dr. Jürgen Kriz ab. Er ist approbierter Psychologischer Psychotherapeut und emeritierter Professor für Psychotherapie und Klinische Psychologie an der Universität Osnabrück, sowie Ehrenmitglied der GLE-International. Im Jahr 2020 wurde ihm für seinen Einsatz für die Förderung der Humanistischen Psychotherapie in Deutschland das Bundesverdienstkreuz verliehen. Jürgen Kriz stellte uns eine Perspektive auf die Person aus dem Ansatz der personzentrierten Systemtheorie zur Verfügung.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion arbeiteten die Referenten die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Sichtweisen heraus, was sich als nicht ganz einfach herausstellte, da alle drei Redner aus sehr unterschiedlichen Perspektiven sprachen. Dies wurde auch in den Begrifflichkeiten deutlich: Wenn in der Existenzanalyse z.B. von Person gesprochen wird, nutzt Jürgen Kriz den Begriff Subjekt, das in der Existenzanalyse eher dem Ich zugeordnet wird. Für Jürgen Kriz ist der Unterschied von Ich, Selbst und Person, wie er in der Existenzanalyse vorgenommen wird, nicht so wesentlich. Er fokussiert auf die Einflüsse des Klienten, die er in der konkreten Situation erfahre. Diese seien Gedanken, Gefühle, soziale Gefüge, Metaphern und das geschichtliche Eingebettetsein der letzten 100 Jahre, die den Klienten beeinflussten. Hierbei wurde deutlich, dass es nicht um eine rationale Analyse geht, sondern um den Versuch, ein Gefühl und ein Gespür für das Eigene zu erhalten. Oder wie Christoph Kolbe es ausdrückte: „Was bedeutet es für den Menschen und wie versteht er sich darin? Wie erlebt er sich?“
Alle Referenten versuchten auf ihre Weise, „die Person aus der Abstraktion hinauszuführen“, wie Helmut Dorra es nannte.
Weiterhin entwickelte sich eine Diskussion zu dem Aspekt, dass der Mensch als Person nicht apersonal sein kann. Die Person sei Potentialität und somit auch immer frei. Das Erleben jedoch in Psychotherapie wäre ein Anderes. Es würden dort die Begrenzungen und Psychodynamiken deutlich erfahrbar, auch wenn der betroffene Mensch sich als frei erlebe. Manchmal gelänge der Personvollzug eben nur mehr oder weniger, meinte Christoph Kolbe.
Ein wesentlicher Impuls zum Weiterdenken des existenzanalytischen Personverständnisses wurde darin gesehen, den Blick auf die Sozialstrukturen der individuellen Lebenswelten zu schärfen und soziokulturelle Einflussebenen stärker herauszuarbeiten bzw. in der therapeutischen Arbeit damit achtsam umzugehen.
Wir freuen uns über die vielen positiven Rückmeldungen zum Symposium und danken allen Beteiligten herzlich für ihr Engagement und Interesse!
Christiane Groß, Sabine Rößer & Ingo Zirks