Offener Brief von PsychologInnen und PsychotherapeutInnen
Rechtsextremismus entgegentreten und Menschenwürde sowie psychische Gesundheit schützen
In Anbetracht der bevorstehenden Europa- und Landtagswahlen möchten wir PsychologInnen und PsychotherapeutInnen auf die Gefahren für Demokratie und psychische Gesundheit hinweisen, die von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus ausgehen. Diese politischen Strömungen fördern eine gesellschaftliche Atmosphäre, die durch Angst, Hass und Ressentiments geprägt ist und die Menschenwürde gefährdet. Dies wird z. B. durch die jüngsten Erklärungen von Arbeitgeberverband und IG-Metall (jeweils NRW), die die AfD als nicht wählbar bezeichnet, verdeutlicht.
Unsere berufliche Erfahrung zeigt, dass rechtsextreme Ideologien durch ausgrenzende und menschenfeindliche Rhetorik und Handlungen die seelische Not vieler Menschen verschärfen.
Rechtspopulisten arbeiten mit „Freund-Feind-Stereotypen“ und verfolgen ein nationalistisch-rassistisches Weltbild, das Ausgrenzung und Menschenverachtung fördert. Diese Ideologien destabilisieren die psychische Gesundheit, indem sie das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit verstärken, was die psychische Gesundheit und Resilienz untergräbt. In Zeiten von Krisen fühlen sich viele Menschen bereits verletzlich und suchen nach Identität und Sicherheit, was sie für die manipulativen Botschaften der Rechtsextremen empfänglich macht.
Rechtsextreme nutzen diese emotionale Verwundbarkeit, um eine ethnisch-nationalistische Gruppenzugehörigkeit zu beschwören, die ein Gefühl der Überlegenheit und Wirkmächtigkeit erzeugen soll. Dies wurde jüngst im Skandal um das Lied „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“ auf einer Party in Sylt deutlich. Solche Vorfälle zeigen, wie rechtsextreme Ideologien in vermeintlich harmlosen Formen auftreten können. Die Reste eines demokratischen Gewissens werden durch eine mitreißende Stimmung in der Gruppe sowie durch einen menschenverachtenden Bierzelt- oder Party-Humor außer Kraft gesetzt.
Wir betonen, dass der von Rechtsextremen intendierte durch die „Identitäre Bewegung“ verzerrte Identitätsbegriff eine Gefahr darstellt. Im Gegensatz dazu basiert der psychologische Identitätsbegriff nach E. Erikson auf einem ständigen psychosozialen Austausch, der das Erleben von Gleichheit und Kontinuität in der Zeit unterstützt und fördert: „Ich bin, wenn Du auch bist“. Die positive Form von Identität, welche auf der Anerkennung der Anderen auch in ihrer Differenz beruht, wird durch rechtsextreme Ideologien zu einem exkludierenden und destruktiven „Ich bin, wenn Du nicht bist“ pervertieren.
Ein vielversprechender Ansatz, um die Psychologie des Rechtsextremismus besser zu verstehen, ist das Konzept des „epistemischen Vertrauens bzw. Misstrauens“. Diese Art von Vertrauen bezieht sich darauf, dass Andere (Personen und Quellen) relevante gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge korrekt erklären können. Dieses Vertrauen hängt eng mit der Fähigkeit zum Mentalisieren zusammen – der Fähigkeit, sich in die innere Welt anderer hineinzuversetzen und die eigene innere Welt zu reflektieren. Ein Mangel an diesem wechselseitigen Einfühlungsvermögen führt zu Missverständnissen und Konflikten, die durch Rechtspopulisten ausgenutzt werden, um Misstrauen und Angst zu schüren.
Politik und Gesellschaft müssen diese psychologische Verfassung ernst nehmen und Strategien entwickeln, um Menschen emotional und kognitiv zu erreichen. Medien spielen dabei eine wichtige Rolle, indem sie die Bedeutung von Emotionalität und Psychologie im Rechtsextremismus betonen und so zu einem besseren Verständnis beitragen.
Wir sehen unsere Verantwortung darin, vor der Gefahr für Demokratie und Gesundheit zu warnen, die von der AfD und anderen rechtsextremen Gruppierungen ausgeht. Wir möchten auch aktiv zur Gestaltung dieses Prozesses beitragen und werden uns weiterhin durch Einzelbeiträge, Kommentare und Blogbeiträge melden. Nicht nur das: wir planen auch konkrete Aktivitäten jeweils im Rahmen der individuellen Möglichkeiten.
Nur gemeinsam können wir die psychischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Rechtsextremismus bekämpfen und eine demokratische und gesunde Gesellschaft fördern.
Bitte unterstützen Sie unsere gemeinsame Initiative, indem Sie unseren Offenen Brief an Interessierte weiterleiten und Ihre eigene Unterstützung über die unten stehende
Kontaktadresse kundtun.
Der offene Brief ist initiiert durch:
R. Blum-Maurice Psychologin, Psychotherapeutin; Dr. H. Gephart Psychotherapeutin; Prof. Dr. U. Geuter Psychotherapeut; Prof. Emeritus Dr. J. Kriz Psychotherapeut; Prof. Dr. mult. C-H. Mayer Psychologin, Psychotherapeutin; A. Michelmann Psychotherapeutin; O. Univ. Prof. i.R. Dr. Klaus Ottomeyer Psychotherapeut; Prof. Dr. F. Simon Psychotherapeut; U. Sollmann Sozialpsychologe, Praxis für Psychotherapie; Dr. E. Wedekind Psychotherapeut; Prof. Dr. H.-J. Wirth Psychotherapeut;
Und unterstützt durch eine Vielzahl von PsychologInnen und PsychotherapeutInnen.