Nachschau Herbsttagung 2023

Ein Leben ohne Konflikte scheint nicht vorstellbar – sie sind in und um uns. Der Eindruck von nahezu allgegenwärtiger Uneinigkeit führte die veranstaltende GLE D zum Thema der diesjährigen Herbsttagung. Wir alle erleben eine Gegenwart, in der wir permanent herausgefordert sind, Stellung zu nehmen und innere Balance zu finden. Mit den Begrifflichkeiten „Balance finden“ und „Stellung nehmen“ ist zugleich der von den Vortragenden beschriebene inhaltliche Bogen dieser Herbsttagung unter der behutsamen Moderation von Sabine Rößer, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands, treffend beschrieben. Hierzu fanden sich über 50 Teilnehmende im Stephansstift in Hannover ein, ungefähr genau so viele verfolgten den ersten Teil des Tages per Lifestream mit. Nach dem Eindruck Vieler war dies ein Tag mit gelungenem Wechsel zwischen einer multiperspektivischen Entfaltung des Themas „Konflikt“ in 5 Vorträgen und 4 Workshops, in denen die Möglichkeit bestand, sich spezifischen Konflikthematiken erlebend anzunähern.

 

Auftakt Christoph Kolbe

Den Auftakt der Vortragsreihe bildete Dr. Christoph Kolbe, in dem er den Deutungsrahmen von Konflikten als einem notwendigen Spagat zwischen GM 2 und GM 3 beschrieb. Menschsein, so Kolbe, sei stets eingebettet in Polaritäten, denn es gebe das Eigene eben nur eingebettet in ein Miteinander. Dieses Miteinander benötige jedoch eine individuelle Stellungnahme und dies wiederum ermögliche erst Existenz, die jedoch ihrerseits nicht ohne Konflikt denkbar sei. Bei allem gehe es aber darum, sich im Konflikthaften selbst zu verstehen und mit dem Konflikt als solchem umzugehen und mit ihm leben zu können. 

Vortrag Christiane Groß

Christiane Groß beschrieb am Beispiel einer Begebenheit im Leben Franz Kafkas eindrucksvoll die höchst unterschiedlichen möglichen grundmotivationalen Ursachen innerpsychischer Konflikte, die dann als Willensblockade in Erscheinung treten. Sie markierte damit die Komplexität der sich Beraterinnnen und Berater, Psychotherapeutinnen und Therapeuten stellen müssen um den Klient, die Klientin zu diesem notwendigen und konfliktlösenden „sich selbst verstehen können“ zu begleiten.

Vortrag Friedrich Glasl

Dank des Beitrags des Konfliktforschers Prof. Dr. Friedrich Glasl war es möglich, in den Blick zu nehmen – was ganz im Sinne des Eröffnungsbeitrages von Dr. Kolbe – uns allen gegenwärtig immer wieder neu eine innere Stellungnahme abfordert. Glasl beschrieb die ersten 5 Stufen seiner Konflikttheorie und zeigte die enge Verbindung zum dreidimensionalen Menschenbild Frankls auf. Und darauf aufbauend, wie Konflikte in Identitätskrisen münden und auch aus diesen heraus zu verstehen sind. Mit Blick auf eine Konfliktlösung hob er die Begriffe „Metanoia“ und „Selbsttranszendenz“ hervor und zeigte so implizit aber unüberhörbar eine Lösungsperspektive für gegenwärtig virulente globale Konflikte auf.

Vortrag Alfried Längle

Dem schloss sich Prof. Dr. Alfried Längle mit einer Tour d´Horizont der Konfliktthematik an. „Wenn es gelingt, zusammenzukommen, beginnt Kultur – Beziehungskultur“ so Längle. Auf diese Weise zeigte er die Verbindung zwischen innerpsychischen Gegebenheiten und der Entstehung von äußeren Konflikten und Streitigkeiten bis hin zu Kriegen auf. „Krieg“ so Längle, sei fehlender Dialog, und dem „Krieg, muss man sich stellen um ihn zu beenden – auch der Pazifismus ist eine Art sich zu stellen“.


            

Vortrag Christian Kuhlmann

Mit Dr. Christian Kuhlmann kam dann ein praktizierender Organisationsentwickler zu Wort, der in seiner Arbeit „die Systemtheorie mit der Existenzanalyse verbindet, um organisationalen Konflikte „nicht nur zu funktionalen Lösungen zu führen, sondern auch zu guten“. Er plädierte dafür, Konflikte in diesem Feld so zu lösen, dass sichergestellt sei, dass beide Konfliktpole -so gegensätzlich und unvereinbar sie zunächst auch scheinen mögen- gleichgewichtet werden und zu einer Balance finden können. Ziel müsse es daher sein, in einer Organisation Strukturen zu schaffen, die personale Konfliktlösungen erleichtern.

Workshops und Abschluss

Im Anschluss an diese Vorträge hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, in Interessensgruppen mit den Vortragenden ins Gespräch zu kommen und einige Fragestellungen zu vertiefen.

In der den impulsreichen Tag beschließenden Plenumsrunde, gab es begeisterte Rückmeldungen zu den anwendungsorientierten Workshops mit Olav Berger zum Thema „Logotherapie meets Mediation“, mit Wiebke Lessin zum Thema „Positionen finden in Gewaltdynamiken“, mit Nadine John, zum Thema „Strafen in der Erziehung“ und last baut not least mit Daniela von Heyl und einem Blick auf die Existenzanalytische Paartherapie.

Mit Blick auf die Rückmeldungen der Teilnehmenden, sieht sich die GLE D bestärkt darin, diese Veranstaltungsform fortzuführen um – ganz im Sinne des Themas Uneins-sein – erlebbar zu machen, wie spannend es ist „unterschieden zu sein“ . Wir hoffen so, nicht nur zur Entwicklung unserer Gesellschaft sondern auch zur Weiterentwicklung unseres Umgangs mit den Konflikten unserer Klienten, Klientinnen, Patientinnen und Patienten beitragen zu können.

Ausblick nächste Veranstaltung

In diesem Jahr findet der Jahreskongress der GLE- International unter dem Titel „Biografie gestalten“ vom 3. bzw. 4.-5-5. 2024 in Berlin statt. Wir hoffen bei dieser Gelegenheit an den Austausch und die Begegnungen dieser Herbsttagung anknüpfen zu können und laden hierzu herzlich ein.